Kontakt

Kontakt: cherrysband@email.de

Freitag, 25. März 1983

Die Loreley 1942


*Die Loreley* (1824), das berühmte Gedicht des Juden Heinrich Heine wurde wegen seines angeblich *urdeutschen* Sagenhintergrunds von den Nazis nie verboten, da es mit Silchers Vertonung (1837) von jedem gestandenen Gesangsverein mit Inbrunst dargeboten wurde. Ein unbekannter Landser machte sich 1942 in Stalingrad seinen eigenen Reim darauf - Heine hätte sicherlich nichts dagegen gehabt. Die LIVE-Aufnahme von Cherry's Band 1983 ist akustisch leider nicht besonders gut, das Lied selbst umso mehr. Und die Aktualität ist beängstigend: Nie wieder ist jetzt!

Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,
Dass ich so traurig bin;
Ein Mährchen aus alten Zeiten,
Das kommt mir nicht aus dem Sinn.
Die Luft ist kühl und es dunkelt,
Und ruhig fließt der Rhein:
Der Gipfel des Berges funkelt
Im Abendsonnenschein.
Die schönste Jungfrau sitzet
Dort oben wunderbar;
Ihr gold’nes Geschmeide blitzet,
Sie kämmt ihr gold’nes Haar.
Sie kämmt es mit gold’nem Kamme,
Und singt ein Lied dabei;
Das hat eine wundersame,
Gewaltige Melodei.
Den Schiffer im kleinen Schiffe
Ergreift es mit wildem Weh;
Er schaut nicht die Felsenriffe,
Er schaut nur hinauf in die Höh’.
Ich glaube, die Wellen verschlingen
Am Ende Schiffer und Kahn;
Und das hat mit ihrem Singen
Die Lore-Ley gethan.

Heinrich Heine 1824

Mit diesem Gedicht ist es Heinrich Heine bestimmt ergangen wie manchem, der am Stammtisch zu oft Witze reißt. Bald weiß niemand mehr, ob er es ernst oder komisch meint, und Ernstes wird komisch und Komisches ernst genommen. Dabei hat Heine es nicht an Hinweisen fehlen lassen, dass er sich über das "romantische Gesülze" seiner Zeitgenossen lustig macht. Da "ergreift" die "Melodei" den sehnsüchtigen Schiffer mit "wildem Weh"! Schluchz! Doch spätestens nachdem sein Gedicht von Friedrich Silcher völlig ironiefrei vertont wurde, hatte der "Ironiker" Heine es verloren und dafür den Ruhm für einen "Klassiker" des "urdeutschen" Liedguts gewonnen. Das wollte er bestimmt nicht so. 
Heutzutage ist das Gedicht unter dem Stichwort “Loreley” bekannt, doch zu Heines Zeiten trug es als Titel nur eine Nummer (H.H. "Buch der Lieder"). Das heißt aber auch, dass bis zum Schluss dem Leser gar nicht klar ist, um welches "Mährchen aus alten Zeiten" es geht. Im Text ist's eine Havarie auf dem Rhein, weil der Schiffer nicht aufpasst und nach dem
 Mädle guggt. Das Märchen ist nämlich keins. Keine urdeutsche Sage oder altes Kulturgut! Der Lorelei-Mythos ist eine Erfindung des Vorzeigeromantikers Clemens Brentano. In seinem Roman “Godwi” veröffentlichte er 1801 ein Gedicht "Zu Bacharach am Rheine” über eine Zauberin namens "Lore Lay", die viele Männer in Liebeswirren "zu schanden" machte. Also nur eine romantische Erfindung. Passte in den Zeitgeist - Heine war aber "Junges Deutschland" und "Vormärz (1848)", seiner Zeit weit voraus! (Ess)